ASSINE
search button

'Deutsche Welle': "Hinter dem Gold steckt so viel Schweiß"

Lisa Schmidla führt den Doppelvierer als Schlagfrau zu Olympia-Gold im Rudern

Compartilhar

DW: Lisa Schmidla, wie schwer hängt die Goldmedaille gerade um Ihren Hals?

Lisa Schmidla: Sie fühlt sich sehr schwer an. Wir hatten so viel Druck, von außen, aber auch Druck, den wir uns selbst gemacht haben. Ich bin so froh, dass wir es jetzt geschafft haben.

War dieser Druck eher eine Last oder eher Motivation für Sie?

Es war eher eine Last. Ich konnte nicht wirklich befreit an den Start gehen. Ich denke aber, man muss mit diesen Erwartungen umgehen können, wenn man professioneller Sportler ist. Wenn Du Gold willst, musst du das wegstecken können. Und wir haben heute gezeigt, dass wir mit der Favoritenrolle umgehen können.

Zur 1500-Meter-Marke lag Polen noch vor Ihrem Boot. Sie haben dann die Schlagzahl erhöht. War das die goldene Entscheidung in diesem Moment?

Ich glaube ja. Die Polinnen sind vom Start weg losgebrettert, das Tempo konnten wir nicht halten. Aber wir fahren einen sehr guten Streckenschlag und haben hintenheraus gegengehalten. Bei 2000 Metern sah es immer noch nicht unbedingt nach Gold für uns aus. Der Gegenwind war sehr stark, das hat uns Probleme gemacht. Aber ich wusste, dass wir das können. Dieser Sieg ist dadurch fast noch mehr wert, denn wir haben gezeigt, dass wir auch mental stark genug sind, um nach einem Rückstand zurückzukommen. Wir haben uns einfach nicht beirren lassen. Am Ende haben wir das Rennen dann über den Endspurt gewonnen.

Alles drehte sich um diesen einen Tag hier in Rio. Wie haben Sie es geschafft, dass heute alle fit und keine von Ihnen krank geworden ist?

Man muss sehr aufpassen. Die Busse hier zum Beispiel haben die Klimaanlage immer sehr kalt eingestellt. Damit hat man extreme Temperaturwechsel und man wird schnell krank. Julia und Carina haben beide einen Schnupfen bekommen, aber zum Glück wurde daraus nichts Schlimmeres. Zudem waren die (windbedingten, Anm. d. Red.) Verschiebungen der Rennen sehr nervig für uns.

Im Vorfeld wurde die Wasserqualität hier in der Lagoa Rodrigo de Freitas sehr kritisiert. Welchen Eindruck machte das olympische Ruder-Gewässer auf Sie?

Es sind ja einige Ruderer bereits ins Wasser gefallen. Aber ich weiß von keinem, der dadurch krank geworden ist. Ich denke, die Organisatoren haben sich sehr viel Mühe gegeben, das Gewässer vom Müll zu befreien. Da momentan keine Regenzeit ist, geht es momentan, würde ich sagen. Man sieht auch viele Fische in der Lagoa, also hier ist Leben drin. Ich kann nichts Negatives über die Strecke sagen und die Kulisse ist einmalig.

Rudern schafft es für ein breites Publikum nur alle vier Jahre zu Olympia mal kurz in den Fokus. Ärgert Sie das?

Das ist schon sehr schade. Wir sind Profisportler und trainieren sieben Mal jede Woche, manchmal sogar drei Einheiten pro Tag. Wir geben jeden Tag Feuer. Aber so ist das eben, wir sind nur eine Randsportart. Ich versuche das auszublenden, dass wir nicht so in der Öffentlichkeit stehen, manchmal förmlich untergehen. Jetzt sind wir Olympiasieger, was ich immer noch nicht ganz glauben kann. Ich denke, das wird uns ein bisschen Aufmerksamkeit schenken.

Besonders in Deutschland dominiert der Fußball alles. Wie kann es ein vergleichsweiser kleiner olympischer Sport wie Rudern schaffen, mehr Aufmerksamkeit zu bekommen?

Das ist nicht leicht. Denn Rudern ist speziell und nicht immer leicht zu verstehen für die Zuschauer. Dazu kommt, dass manche Rennen weit auseinander gezogen sind - das ist dann auch nicht wirklich spannend für das Publikum. Bei uns war es zum Glück spannend, und da werden viele mitgefiebert haben. Uns fehlt es vielleicht auch ein bisschen an Action. Aber natürlich würde uns mehr Sendezeit im TV zum Beispiel bei WM, EM und den Weltcups helfen. Da hat sich ein bisschen was getan, aber wir würden uns wünschen, dass die Berichterstattung auch in den Nicht-Olympiajahren intensiviert würde.

Können Sie vom Rudern leben?

Im Moment geht es. Wir haben von der Deutschen Sporthilfe viel Unterstützung erhalten. Dazu kommen der Verein, die regionale Sportstiftung. Im Olympiajahr ist die Unterstützung gut, danach ebbt es aber immer ab. Aber viele von uns machen das ohnehin eher für uns selbst. Wir studieren nebenbei und sind eben keine Fußballprofis.

Können Sie Rio jetzt genießen?

Ja, das haben wir vor. Wir haben noch eine Woche Zeit und wollen uns viel anschauen: Beachvolleyball, Schwimmen, Kanu zum Beispiel. Und natürlich feiern wir jetzt erst mal mit unseren Familien und Freunden an der Copacabana.

Lisa Schmidla, geboren 1991 im rheinischen Krefeld, begann 2004 mit dem Rudern. 2009 wurde sie bereits Junioren-Weltmeisterin im Einer. Dennoch war sie 2012 in London nur als Ersatzfrau dabei. Es folgten ein WM-Sieg 2014 sowie EM-Titel 2015 und 2016. Bei den Spielen in Rio führte sie den Doppelvierer als Schlagfrau nun zu Gold. Schmidla studiert neben dem Rudern Journalistik an der Technischen Universität Dortmund.

Das Interview führte Joscha Weber.